Kalk

Antike Mauermörtel, Putze und Wandmalereien

Historische Mörtel, die zu den beständigsten Materialien unseres Kulturerbes zählen, enthalten eine Vielzahl wichtiger Informationen über den technischen Entwicklungsstand einer Zivilisation. Daher wundert es nicht, dass die Charakterisierung von historischen Mörteln, Putzen und Stucken seit gut 200 Jahren im Brennpunkt der interdisziplinären Forschung liegt.Kalk als Bindemittel für Mörtel steht über etliche Jahrtausende bis heute in Verwendung und gehört neben Keramik zu den ältesten vom Menschen hergestellten Werkstoffen überhaupt.

Bei aller scheinbaren Einfachheit der Produktionstechnik, die vom Brennen der Gesteinsrohstoffe über die Zugabe von Wasser bis zur Mischung und Verarbeitung des Mörtels führt, lassen diese Arbeitsschritte doch einen großen Spielraum an Möglichkeiten zu, die zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dazu gehört z.B. die Wahl unterschiedlicher Rohstoffe, die vielen Varianten des Kalklöschens, aber auch die Zumischung reaktiver Mineralstoffe, die zu einem grundsätzlich abweichenden Erhärtungsprozess führen können. Dementsprechend unterscheiden sogar die modernen Kalknormen, die sich weitgehend auf Industrieprodukte beziehen, zwischen verschiedensten Kalksorten, die entweder lediglich an Luft, oder als hydraulische bzw. puzzolanische Kalke auch unter Einwirkung von Wasser härten können. Auf historische Kalktechniken trifft die Vielfalt der Möglichketen in noch größerem Ausmaß zu, sodass an solchen Mörtelproben das Aufspüren von Merkmale von besonderem Interesse ist, die den Herstellungsprozess erkennen lassen und zugleich Einblick in die Zusammenhänge zwischen physikalisch-mechanischen und chemisch mineralogischen Eigenschaften bieten.

Mörtel sind Systeme aus mehreren Komponenten – Bindemittel und Zuschläge. Mikroskopische und mikroanalytische Analysenmethoden eignen sich für die Untersuchung solcher Systeme besonders gut, weil eine Beobachtung und Analyse der Komponenten ohne deren Separierung möglich ist und damit auch die Merkmale ihrer Gefügebeziehungen zueinander studiert werden können. Das Potenzial der Mikroskopie an historischen Mörteln, das derzeit von der Fachwelt in zunehmendem Ausmaß wahrgenommen wird, haben wir bereits vor Jahrzehnten erkannt und auf hohem Niveau eingesetzt. Stets auf der Suche nach „fingerprints“, die uns Hinweise auf die verwendeten Rohstoffe und deren Mischungs-, Brenn und Löschbedingungen liefern können, haben wir in jüngster Zeit unser Spektrum an ortsauflösenden, bildgebenden Verfahren um mikroskopische FTIR-Analysen erweitert.

Die beiden Mörtelgruppen, mit denen wir uns bisher vorrangig befasst haben, sind einerseits antike und historische Mauermörtel mit mehr oder weniger hohen hydraulischen Eigenschaften, die sie entweder verschiedenen Rohstoffmerkmalen oder puzzolanischen Zusätzen verdanken. Hier versuchen wir, die jeweilige Quelle der Hydraulizität zu erforschen, um auf diese Weise das volle Spektrum alter Kalktechniken kennenzulernen und zugleich auch unseren Beitrag zur Grundlagenforschung an Reaktionsmechanismen zu liefern.

Die zweite Materialgruppe, mit der wir uns beschäftigen, sind Wandputze aus verschiedenen Epochen, die meist Träger von Wandmalerei sind. Die üblicherweise nichthydraulischen Abfolgen an Putzschichten, im ursprünglichen Verband bis hin zur Malschicht untersucht und dokumentiert, geben interessante Einblicke in zeit- und ortsspezifische Handwerks-und Kunsttechniken und eignen sich besonders zum Vergleich unterschiedlicher Praktiken von Putzzubereitung und –auftrag sowie der Ausführung hochwertiger Wandmalerei aus verschiedenen Grabungen einer Kulturepoche. In diesem Sinn konnten wir bisher römische Wandmalerei aus Ephesos und Ostia mit provinzialrömischen Vergleichsbeispielen aus Mitteleuropa studieren und die jeweiligen Abweichungen von den Vitruv’schen Techniken dokumentieren. Häufig verwenden wir dazu die Falschfarbenbearbeitung an Schliffbildern, die uns Schicht für Schicht eine differenzierte Quantifizierung von Mörtelkennwerten ermöglicht.

Projekthistorie (Auswahl):

  • Materialwissenschaftliche Untersuchung antiker Wandbaustoffe aus dem Hanghaus 2 in Ephesos. – in Kooperation mit dem Österreichischen Archäologischen Institut (F. Krinzinger, S. Ladstätter, N. Zimmermann) und der Montanuniversität Leoben (W. Prochaska, E.-M. Maurer), 2002-04 (Dipl.-arbeit E.-M.Maurer gleichen Titels)
  • Materialwissenschaftliche Untersuchungen an Putz-und Wandmalerei-Fragmenten aus Carnuntum (Kooperation mit T. Bayerova und C. Gurtner, im Auftrag des Archäologischen Parks Carnuntum). 2003-04
  • Untersuchung des hellenistischen Hinterfüllmörtel am Mausoleum von Belevi. – in Kooperation mit dem Österreichischen Archäologischen Institut und dem Institut für Kulturgeschichte der Antike der ÖAW (P. Ruggendorfer, R. Heinz) und K. Bayer, 2004-05
  • Petrografische Analysen ausgewählter römischer Wandputze aus Ostia (in Kooperation mit S. Falzone, N. Zimmermann), 2004-09
  • Materialtechnische Untersuchungen an der Wand- und Deckendekoration einer römischen Villa in Saalfelden/Wiesersberg (in Kooperation mit B. Tober), 2006-07
  • Materialwissenschaftliche Charakterisierung von Mauermörteln und opus caementitium aus dem Bereich des antiken Theaters von Ephesos (in Kooperation mit T. Köberle und A. Baragona, im Auftrag von G. Styhler-Aydin), 2011-13
  • Untersuchung von Mörtel- und Putzproben i.R. des FWF-Projekts „The ‘Case a Giardino’ in Ostia – Archaeological Context and Virtual Archaeology of a Large Roman Housing Complex (Projektleitung: P.Ruggendorfer, ÖAW), ab 2019

Betreuung von Dissertationen

Anthony Baragona: Pozzolan-Lime Mortar from Antiquity to Present: the
Utility of Experimental Archaeology and Image Based Analysis for Understanding Historical Mortar

Betreuung:
ao.Univ.-Prof. Dr. phil. Johannes Weber
Univ.-Prof. Dr. Norman Weiss (Columbia University, N.Y.)

Hazal Özlem Ersan Eruş: Mortar Technology in the Byzantine and Ottoman
Construction of the City Wall of Istanbul

Betreuung:
ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Johannes Weber